In den letzten Monaten haben rund 800 Menschen auf dem Westfeld ein neues Zuhause gefunden. Ihnen steht ein breiter Mix an Wohnungsgrössen und Wohnformen zur Verfügung: Neben gewöhnlichen Wohnungen sind auch Clusterwohnungen, Alterswohnungen mit Service sowie Nestwohnungen entstanden.
Auf gängigen Wohn- und Urlaubsportalen würde man das zehnstöckige Gebäude auf dem Westfeldareal wohl in der Kategorie «aussergewöhnliche Unterkünfte» bewerben. Einerseits, weil es aufgrund seiner markanten Silhouette aussieht wie ein Schiff, andererseits, weil es bis 2019 als Spital genutzt wurde. Zum Glück wurde das stadtbekannte Gebäude in den letzten Jahren aber nicht in ein Luxushotel umgebaut, sondern in ein genossenschaftliches Wohnhaus mit nationaler Ausstrahlung. Hier und in der neuen Blockrandüberbauung auf dem Areal haben in den letzten Monaten rund 800 Personen ein Zuhause gefunden. Sie alle dürfen viele Gemeinschaftsräume mitbenutzen, darunter die Terrasse auf dem Dach des Schiffs. Wer hier oben in die Ferne schaut, muss nicht mehr in die Ferien reisen; an schönen Tagen geht der Blick von den Jurahöhen über die Vogesen bis zum Südschwarzwald.
Beeindruckend ist nebst der Aussicht aber auch der Mix an Wohnungstypen sowie neuen Wohnformen, welche die Genossenschaft Wohnen&mehr auf dem Areal ermöglicht hat. Das Westfeld bietet Wohnraum für eine hinsichtlich Alter, Familiensituation und Herkunft heterogene Bewohnerschaft. Das Wohnungsangebot reicht von Einzimmerstudios über Familienwohnungen und Maisonetten bis zu zwei sogenannten Nestwohnungen – ein Novum für Basel. Das Modell richtet sich an getrenntlebende Eltern, die sich das Sorgerecht für die Kinder teilen, aber nicht mehr zusammenleben wollen.
Die Nestwohnungen bestehen jeweils aus zwei Wohnbereichen mit eigenem Eingang, Küche, Bad, Wohnzimmer und Schlafzimmer. Von diesen separaten Bereichen erreicht man die beiden Kinderzimmer. «Das hat den Vorteil, dass die Kinder ihr fixes Zimmer haben – ihr Nest – und zum Beispiel am Wochenende nicht zum anderen Elternteil umziehen müssen», sagt Claudia Bauersachs, Co-Geschäftsleiterin der Genossenschaft. «Ausserdem wird aufgrund einer Trennung nicht zusätzlicher Wohnraum verbraucht.» Das Konzept eigne sich auch für Alleinerziehende oder Patchworkfamilien, die sich gegenseitig unterstützen.
Nestwohnungen noch nicht vermietet
So neuartig und wichtig das Konzept auch ist – noch haben sich keine Leute gefunden, für die das Nestwohnen in Frage kommt. Insgesamt konnten 25 der 440 Wohnungen, die in der ersten Bauetappe auf dem Westfeld entstanden sind, noch nicht vermietet werden. Für Co-Geschäftsleiter Claudio Paulin ist das kein Grund zur Sorge: «Die Vermietung von so vielen Wohnungen in einem Jahr ist ein Kraftakt, läuft aber bis jetzt sehr gut», sagt er. «Das Konzept des Nestwohnens ist neu und erklärungsbedürftig, die Vermietung aufwändig. Bis jetzt konnten wir die speziellen Wohnformen nicht spezifisch vermarkten.» Bald werde man sich aber damit befassen, wie man die Zielgruppe besser erreichen könne. «Grundsätzlich ist es schön, dass wir bei so vielen Wohnungen auch neue Konzepte laborartig ausprobieren und Erfahrungen sammeln können.»
Schon bekannter ist in der Genossenschaftswelt inzwischen das Clusterwohnen. Auf dem Westfeld sind drei Clusterwohnungen mit sechs bis acht Zimmern entstanden, die sich in private Wohneinheiten mit Bad und optionaler Teeküche sowie in gemeinschaftlich genutzte Räume wie Küche, Wohnzimmer oder Balkon gliedern. Die Cluster richten sich an Menschen, die gerne in einer Gemeinschaft leben, aber einen privaten Rückzugsraum schätzen, und werden gesamthaft an eine Partei vermietet – an einen Verein oder einen Zusammenschluss von Personen, die den Mietvertrag solidarisch unterzeichnen.
Gemeinschaft für Senior:innen
Ein weiteres Augenmerkt hat Wohnen& mehr auf die Bereitstellung von altersgerechten Wohnungen gelegt. Sie verfügen über breitere Türen, mit einem Rollstuhl befahrbare Duschen, kontrastreiche Lichtschalter und weitere Ausstattungen, die älteren Personen und Menschen mit einer Beeinträchtigung den Alltag erleichtern. Um ein ganz neues Konzept von gemeinschaftlichem Wohnen im Alter anbieten zu können, arbeitet die Genossenschaft mit dem Bürgerspital Basel zusammen. Dieses betreibt im dritten Stock des Schiffs in einer tausend Quadratmeter grossen Clusterwohnung das Wohnmodell «Wohnen mit Service im Alter». In dieser besonderen Alters-WG haben alle Bewohnerinnen und Bewohner ein privates Studio mit Teeküche und Bad für sich. Küche, Esszimmer, Aufenthaltsräume, Waschküche und Aussenterrasse nutzen sie gemeinsam mit den anderen. Bei Bedarf können sie Unterstützung durch eine Betreuungsperson in Anspruch nehmen, die tagsüber vor Ort ist. Neben einer 24-Stunden-Notrufbereitschaft sind auch die Reinigung, Hauswartung und alle Mahlzeiten im Angebot inbegriffen, das pro Monat zwischen 2600 und 3800 Franken kostet.
Weitere Wohnungen werden vom Verein Wohnen+Basel im Sinne eines Cohousing gemietet. Die gemeinnützige Wohngemeinschaft besteht aus international orientierten Menschen ab Fünfzig, die in 22 Kleinwohnungen auf verschiedenen Etagen des Schiffs wohnen. Der gemeinnützige Verein wurde von zugezogenen Internationals gegründet, die lange in Basel gearbeitet haben und im Ruhestandsalter hier wohnen bleiben möchten. Er richtet sich aber auch an Einheimische.
Obere Wohnungen sind teurer
Paulin zufolge ist der Genossenschaft die angestrebte Durchmischung der Bewohnerschaft hinsichtlich Alter und Nationalität gut gelungen. Allerdings sei es bei nicht subventionierten Neubauten generell eine Herausforderung, Familien mit knappem Budget anzusiedeln. «Das Westfeld ist unser erstes Projekt. Wir haben weder Erträge noch Kapitalreserven aus anderen Projekten und auch keine Liegenschaften, die eine finanzielle Entlastung des Westfelds ermöglichen würden», sagt er. Somit seien die Mieten generell auf Neubauniveau und etwas unter dem Medianwert für vergleichbare Objekte im Quartier. «Bis zu einem gewissen Mass ist es uns dennoch gelungen, Menschen mit tiefem Einkommen und Vermögen eine Wohnung anzubieten – auch dank einer massvollen Mietzinsdifferenzierung im Schiff», so Paulin.
Im ehemaligen Spitalgebäude, in dem 130 Wohnungen entstanden sind, stellt Wohnen&mehr 28 knapp geschnittene Budgetwohnungen für Haushalte mit geringem Einkommen und Vermögen zu «speziell günstigen Mietzinsen» zur Verfügung. Eine Vierzimmerwohnung im ersten Obergeschoss mit 80 Quadratmetern kostet inklusive Nebenkosten 1430 Franken pro Monat. Wer weiter oben heimisch werden möchte, muss tiefer in die Taschen greifen; 4200 Franken pro Monat verlangt die Genossenschaft für eine Attikawohnung mit viereinhalb Zimmern, 129 Quadratmetern und grosser Dachterrasse. Ein Glück, dass es sich im «Schiff» auch in den unteren Stockwerken ein bisschen so anfühlt, als treibe man auf hoher See.
Quellenverzeichnis: Zeitschrift WOHNEN (zeitschrift-wohnen.ch). Wer wohnt hier wie? Neue Wohnformen: Für alle das Passende (01.03.2023). Abgerufen von WOHNENextra – Zeitschrift WOHNEN (zeitschrift-wohnen.ch)
Fotos: Kathrin Schulthess